Ziele

Die digitale Schulbank als mediendidaktische Konzeption hat sich im Verlauf der Zeit in verschiedenen Phasen der dynamischen Entwicklungen angepasst. In den letzten Jahren insbesondere hinsichtlich der Fragestellungen, welche digitalen Dienstleistungen im Bildungsprozess dem Anspruch gerecht werden, die Haltung und die Fertigkeiten junger Menschen positiv zu entwickeln. Noch immer werden die Fortschritte der Digitaltechnologien nicht differenziert genug in den Bildungsalltag integriert und allzu oft dem übermäßigen Anspruch an Kommunikation sowie unverhältnismäßig großem Anteil konsumorientierter Interessen überlassen. Haben vor einigen Jahren junge Menschen noch einen Arbeitscomputer besessen, auf dem sie auch ihre Freizeitinteressen befriedigen konnten, so ist heute zu beobachten, dass erstaunlich viele Kinder und Jugendliche zwar Smartphones besitzen, aber keine Erfahrungen mit und  private Zugänge zu vollständigen  Personalcomputern haben.

Digitale Dienstleistungen müssen der Bildung dienen
und die Kinder und Jugendliche nicht zu Dienern
ökonomischer Interessen werden lassen.

Digitale Bildung muss unter dem Anspruch gesehen werden,  die Aneignung der Welt im Kopf und Herz der Kinder und Jugendlichen zu belassen, damit die digitalen „Werkzeuge der Weltaneignung“ (Hintergrundinformtionen von Wagner 2017)  nicht dominieren. Im Spannungsverhältnis von Mensch und „Maschine“  in der digitalen Welt findet die Tatsache zu wenig Bedeutung, dass jeder Mensch sich mühselig die „Welt“ erst aneignen muss, um sie zu verstehen. Je mehr den Maschinen und Algorithmen überlassen wird, je inkompetenter wird er.

Im Medium Digital Bewusstsein zu entwickeln,
basiert auf Persönlichkeitsentwicklung

in der wirklichen Welt.

Ich finde deshalb  „Bildung in der digitalen Welt“ als Titel der Strategie der KMK (2016) sehr passend, da damit genau deutlich wird, dass in einer weiteren künstlichen Welt zusätzlich Denken und Handeln gelernt werden muss. Dieses künstliche Denk- und Handlungsmilieu (Medium Digital) kann aber nur auf der Basis entwickelter Fähigkeiten und Fertigkeiten basierend aus Erfahrungen in der „wirklichen“ Welt  verantwortlich  eingeordnet werden.

 

Acht dynamisch-didaktische Orte

…die auch als Anforderungen  an die Arbeit im Medium Digital
(dazu Bewusst eintauchen ins Medien-Meer. Gutenberg, C+U 102, 2016)
formuliert werden können (Perspektive der Lernenden)

Präsentation von 2014    Acht Didaktische Orte  (pptx-Datei) 

Immer wieder wurde mir im Zusammenhang mit den mediendidaktischen Überlegungen zu Dischba die Forderungen vorgetragen, nicht den Umgang mit der Software Smartnotebook und dem Smartboard in den Mittelpunkt zu stellen. Dies war niemals beabsichtigt, aber zwangsläufig geschehen, da mit Dischba immer intendiert ist, den Zusammenhang von Werkzeug, Methode und Inhalt inklusive der Lernaktivitäten im alltäglichen schulischen Bildungsprozess aufzuzeigen.

Ich habe die Kritik aufgenommen und sehe dabei auch die Verantwortung allgemeingültigerer Kriterien zu artikulieren, an denen digitale Arbeits- und Lernarrangements sich messen lassen müssen. Mit den ersten 6 Didaktischen Orten liegt der Schwerpunkt auf dem aus meiner Sicht vernachlässigten Bereich der individuellen Lernphase (Think). Mir erscheinen in der öffentlichen Diskussion die Vorzüge digitaler Technologie in den Bereichen Kommunikation und Kooperation ( Pair / Share ) übermäßig dominant zu sein. Mit der eigentlichen Basis, – der grundsätzlichen Aufnahme- und Denkfähigkeit – , wird sich weniger beschäftigt.

Im Vortrag am Tag der Medienkompetenz  2013 in Hannover wurden sechs Didaktische Orte abstrahiert und mit exemplarischen Unterrichtsmaterialien veranschaulicht. Sie wurden im April 2014  ergänzt durch die bisher nicht ausgearbeiteten Orte  Lernortunterstützung und Kommunikationsbewältigung.

Die sechs didaktischen Orte des individuellen Lernens auf angemessenen digitalen Arbeitsoberflächen und den dazugehörigen Werkzeugen

1. Zielgerichtete Aufmerksamkeit

Die intensive, inhaltliche Beschäftigung und Wahrnehmung schulspezifischer Themen von digitalen Oberflächen ist nicht selbstverständlich. Wir alle sind verführt, zu den häufig kommerziell motivierten und von dort aus meisterlich gezielt angesprochenen Reizen abzudriften. Auf der Suche und Zusammenstellung von Unterrichtsmaterialien ist einer der didaktischen Orte, die gezielte Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit Inhalten sowie deren Reflexion zu fördern. Mit Inhalten, die jenseits der großen Verführer im „Klick- und Wischuniversum“ bestehen.

Das exemplarische Beispiel „Genaues Beobachten“

Am Beispiel einer Unterrichtsreihe „Niedersachsen mein Lieblingsland“ wird dieser Ort veranschaulicht. Mit der intensiven Auseinandersetzung von Filmclipinhalten (Schlüsselbilder) sowie einem Sachtext (Schlüsselwörter) von der offiziellen Seite des Landes Niedersachsen wird Topgraphie thematisiert. Dabei trifft man nachweislich auf einen hohen Grad der Auseinandersetzung mit den Materialien und topographischen Inhalten zum eigenen Bundesland. Beispielsweise hat eine Schülerin einer 5. Klasse darauf bestanden, dass ein Schlüsselbild mit jungen Robben aus einer Robbenaufzuchtstation in der Nähe von Cuxhaven sei. Begründung: So sehen die Fliesen dort aus! Zielgerichteter kann kaum ein Bild wahrgenommen werden!

Leider ist der ursprüngliche Film, welcher zum Herunterladen auf der Seite nun nicht mehr bereitsteht, in dieser Form aktuell nicht nutzbar. Auf der Kinderseite des Landes Niedersachsen steht ein weiterer Imagefilm zum Herunterladen zur Verfügung.

 

2. Substanzielle Denkfähigkeit

Immer mehr Computer-Automatismen (Digitale -Dienstleistungen) ziehen in unseren Alltag ein. Unter der propagierten Prämisse, dass alles einfacher und schneller sei, bleibt die Frage offen, was die „Köpfe“   an substanzieller Denkfähigkeit (Eigenleistung) noch leisten. Benötigt wird die Autonomie des Denkens, als Grundlage davon Problemlösung und  Kritikfähigkeit.

Das exemplarische Beispiel „Zahlenverständnis“

Mit Beispielen zum Zahlenverständnis werden bei Dischba Anregungen mit praxiserprobten Inhalten gegeben. Nicht die Aussage, dass Kinder der 5. Klasse mit Tabellenkalkulation Diagramme erstellen können ist bedeutsam, sondern die Fähigkeit und Fertigkeit selber den gedanklichen Weg von der Zahl zu einer sinnvollen Visualisierung zu durchblicken. Allein der Umgang mit Zahlen verschiedenster Art und Größe in graphische Formen zu bringen, ist eine substanzielle Denkleistung. Mit dem Material werden die Werkzeuge zur Gestaltung von Visualisierungselementen einbezogen, nicht aber die Algorithmen zu deren automatisierten Produktion. Die Beispiele für ein Altersstruktur-Diagramm und ein Kartodiagramm zur Weltbevölkerung stehen dafür hier zur Verfügung.

 

3. Reflexive Achtsamkeit

Ein bedeutendes öffentliches Diskussionsthema ist die intensive Computernutzung von Kindern und Jugendlichen. Sucht, Verdummung und andere negative Attribute dominieren die Diskussion. Sehr prägnant hat sich vor einigen Jahren der viel publizierende Hirnforscher Prof. Dr. Manfred Spitzer damit in die Bestsellerliste des Spiegels katapultiert.

Die hier herausgestellten acht Didaktischen Orte rücken genau das Gegenteil in den Mittelpunkt und stellen Qualitätsmerkmale für zeitgemäße Integration digitaler Medien und Werkzeuge in den Mittelpunkt.

Dazu gehört die reflexive Achtsamkeit, d.h. die Fähigkeit, sich zu hinterfragen und sich zu prüfen, wie diestarken Einflüsse der digitalen Medienwelt wirken. Im schulischen Kontext bedeutet dies, die Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen, sich selber in dem Ränkespiel um die Aufmerksamkeit zu erkennen.

Das exemplarische Beispiel „Lernen über Lernen“

Zielgerichtete Aufmerksamkeit mit spielerischen Angeboten zu erreichen, ist ein anspruchsvolles Werkzeug pädagogisch-didaktischer Professionalität. In einer allgegenwärtigen Angebotsschwemme digitaler Spielangebote ist dabei neu zu berücksichtigen, die Kinder und Jugendliche dafür zu sensibilisieren, womit und wobei sie wirklich versprochenes Lernen verwirklichen. Mir fallen in diesem Zusammenhang immer die multimedialen Sprachlernprogramme ein, von denen häufig vollmundig versprochen wird, in wenigen Wochen spielerisch eine Sprache zu erlernen.

Am Beispiel eines einfachen und auch selber erstellbaren Topographiespiels kann Selbstreflexion bei Schülerinnen und Schülern, hier 5. Jahrgang, angestoßen werden. Begeistertes und schnelles Reagieren auf eingeblendete Städtenamen in Niedersachsen mit Klicken an die richtige Stelle einer stummen Karte bedeutet noch lange nicht, dass Städtenamen aus dem Kopf auf einer digitalen oder analogen Karte eintragen werden können. Weiß man von sich, wie man lernt und was in welchem Kontext an substanzieller Denkfähigkeit gebraucht wird, behält man Autonomie.


4. Technologieverständnis

Die drei erstgenannten Didaktischen Orte beziehen sich auf allgemeine pädagogisch-didaktische Aspekte des Bildens. Die folgenden rekrutieren sich aus den spezifischen Besonderheiten der Digitaltechnologie.

Das exemplarische Beispiel „Pixel-Verständnis“

Um einschätzen zu können, was und wie sich durch Technologie in unserer Konstruktion von Wirklichkeit verändert, bedarf Kenntnis se  zu spezifischen Grundlagen dieser Techniken (Teile einer digitalen Allgemeinbildung). Am Beispiel der Auseinandersetzung mit dem Grundelement aller Visualisierungen an digital erzeugten Oberflächen, dem Pixel, wird dieser Didaktische Ort aufgegriffen.

Schülerinnen und Schüler spielen im ersten Beispiel selbst Computer, indem sie „Pixel“ zusammensetzen und dabei wichtige Eigenschaften von Pixeln und digitalen Bildern erfahren. Hier steht eine Sammlung von Screendesign-Experimenten (Beta-Version) zur Verfügung, die sich zusätzlich mit der Folienaufteilung, Farben und Schriftarten beschäftigt.

Im 2. Beispiel, welches das Thema Computer-Automatismen (siehe substanzielle Denkfähigkeit) einbezieht, übernimmt der Lernende die Aufgabe von Algorithmen, die bei moderner Erzeugung von Kartenwerken aus digitalen Satellitenbildern die Klassifizierung von Flächen übernehmen.

 

5. Informationsbewältigung

Die durch das Internet unüberschaubare Menge an selbstverständlich zur Verfügung stehenden Informationen ist eine der herausragenden Errungenschaft der Digitaltechnologie. Welchen Anteil kann das staatlich organisierte Bildungswesen beitragen, diesen „Informationstsunami“ zu kanalisieren?

Das exemplarische Beispiel „Wikipedia “

Es ist empirisch nachgewiesen, dass der überwiegende Anteil der Schülerinnen und Schüler im ersten Zugriff ihre Fragen oder Inhalte über Wikipedia angehen. Dieses Phänomen wird im hier dargestellten Beispiel konstruktiv aufgegriffen und dabei in den Zusammenhang mit Medienkritik und Urheberrecht gestellt. Zwei weitere Beispiele stehen hier zur Verfügung (Fracking und Mali).


6. Werkzeugbeherrschung

Der versierte Umgang mit relevanten Werkzeugen, die zu „Schul-Arbeit“ passen und gleichzeitig hinführen zu einer modernen Berufswelt, sollte selbstverständlich sein. Meine langjährigen Beobachtungen können dies nicht bestätigen. Dazu könnten hier viel Fragen aufgeworfen werden. Bei Dischba ist „schul-arbeits“ spezifische Werkzeugbeherrschung ein wichtiges Thema und wird unter dem Attribut VERWANDT konzeptionell erfasst ( Die acht Attribute und den Beitrag Medienkonzeptentwicklung an Schulen: 8 x V = Qualität. Die hier ausgewählten Beispiele des Didaktischen Ortes der Werkzeugbeherrschung beziehen sich auf Gestaltung und Erschließung.

Exemplarische Beispiele „Gestaltung und Erschließung “

Grundvoraussetzung für die Konzentration und Verarbeitung von Fachinhalten ist die weitgehend automatisierte und zielgerichtete Anwendung von zur „Schul-Arbeit“ passenden Werkzeugen. Wer das Schreiben von Buchstaben erst auf der grundsätzlichen Eben des motorischen Lernens tätigt, verknüpft die Wortinhalte kaum mit umfassender Bedeutung. Je komplexer die Sätze und die Texte werden und je schlechter ein Mensch Schreiben und auch Lesen automatisiert hat, je unfähiger steht er dem Textverständnis gegenüber. Wenn man sich dagegen anschaut, wie die jetzige Schülergeneration beim bildungsrelevanten Umgang mit digitalen Werkzeugen überschätzt wird und solche Werkzeuge wenig systematisch im Schulalltag geübt werden, dann wächst die Bedeutung dieses Didaktischen Ortes. Die zur Verfügung stehenden Werkzeuge in komplexen digitalen Systemen sind nur einzeln betrachtet trivial, in ihrem sinnhaften und zielgerichteten Anwenden hingegen anspruchsvoll. Sie benötigen Übungs- und Erfahrungszeit.

So wird Bildgestaltung im schulischen Kontext immer noch überwiegend dem Fach Kunst zugeordnet und die Gestaltung von Präsentationsfolien den Formatvorlagen von Präsentationssoftware.

Da aber Prozesse selbstgesteuerter Informationserschließung bis hin zur Vorführung erarbeiteter Erkenntnisse unter den Erfordernissen des lebenslangen Lernens und darauf abgestimmten Unterrichtsverständnis beruhen sollten, müssen dazugehörige Methoden und deren Werkzeuge im selbstverständlichen Zusammenhang der hier aufgezeigten Didaktischen Orte integraler Bestandteil der Fächer werden. Dabei darf die didaktische Reduktion nicht im Primat der Computer-Automatismen (siehe substanzielle Denkfähigkeit) erfolgen.

Das Beispiel reflektierter Gestaltung von Präsentationsfolien und insbesondere dabei die Aufteilung von Inhalten nach der Drittelregel (siehe Bild oben) dient hier als erste Veranschaulichung des Didaktischen Ortes Werkzeugbeherrschung.

Die systematische Erschließung eines Videoclips, mit dem Ziel grundlegende Aussagen herauszuarbeiten (Beispiel Nutzungskonflikte am Steinhuder Meer), stellt die erschließende Werkzeugbeherrschung in den Mittelpunkt.

Unter Herunterladen findet man noch weitere Beispiele, die zu den Didaktischen Orten passen. Alle Materialien sind nach diesen sechs Besonderheiten erstellt worden.

Anmerkung: Die Zusammenstellung dieser Inhalte erfolgte für einen Vortrag am „Tag der Medienkompetenz“ in Hannover am 07.10.2013.

 

Plus 2

7. Lernortunterstützung

Die auffälligen technischen Entwicklungen bestehen zurzeit nicht in vollständig neuenTechnologien, sondern in Konvergenzen verschiedener, unterschiedlicher Technologien, die dann häufig zu neuen Anwendungsfeldern führen. Die Informations- und Kommunikationstechnologien haben dabei große Bedeutung. Über die Auswahl solcher mobilen und/oder stationären Geräte mit deren digitalen Werkzeugen und Vernetzungen ist auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten kompetent zu entscheiden.

 

 8. Kommunikationsbewältigung

Die Wissenschaft geht davon aus, dass wir nicht mehr als etwa 150 Menschen als ihr persönliches „Netzwerk“ erfassen können. Auch können wir bei Präsentationen nur wenige visualisierte Inhalte aufnehmen und haben oft Schwierigkeiten, dem Parallelgeschehen von Visualisierung und Verbalisierung (Folien/Vortrag) zu folgen.  Es ist auch bekannt, dass geschickt konstruierte Filmgeschichten unbewusst unsere Haltung und Empfindungen beeinflussen können.

Wir sind in unserer Aufnahmefähigkeit begrenzt!

Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, wenn viele Untersuchungen zeigen, dass computergestützter Medieneinsatz nicht automatisch zu den gewünschten Lernerfolgen führt. So bieten im Zusammenspiel mit den oben aufgezeigten Didaktischen Orten die Interaktionsmöglichkeiten Mensch-Maschine  und den Mensch-Mensch-Kommunikationen direkt oder indirekt über Maschinen  hervorragende Möglichkeiten, jedoch benötigt man zu deren Entfaltung Methoden und Strategien.

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